Man kennt das. Man klickt sich grade nach Herzenslust durch die Facebook-Gesichstserkennung, taggt gradt selbstzufrieden die Fotos vom Neugeborenen auf Tumblr oder twittert grad die Penisgröße des Freundes, da kommt plötzlich wer und sagt: “Also ich finde diesen Datenirsinn ja totaaal gruselig. Irgendwann weiß das Internet alles über mich. Ich lass das lieber in meinem ECHTEN LEBEN™ Und Myspace mochte ich auch nie..” Und genau dafür gibt es eine Serie: Black Mirror.
Und die ist genauso nah an der Realität, wie die Einleitung. Denn natürlich würden wir das nicht machen – aber irgendwelche Anderen da draußen tun genau das, genau jetzt. Mehr noch ist die Serie aber bittersüß, und noch viel mehr bitter. Das Schöne und das Groteske der Zukunft die wir uns gerade bauen, nebeinandergestellt und konsequent weitergedacht.
Darum gehts:
Black Mirror ist eine britische Serie von Charlie Brooker, die bis dato aus zwei Staffeln und 6 Episoden mit 6 voneinander losgelösten Kurzgeschichten á 45 Minuten besteht, die alle durch das Thema der technischen Fiktion zusammengehalten werden, das Spektrum reicht dabei von zeitnah (“The National Anthem”) bis in vager Zukunft (“15 Million Merits”). Das verbindende Element ist Technologie, sowie das titelgebende Prinzip des schwarzen Bildschirms – in den man hineinsieht und sich selbst reflektiert.
Und ohne Umschweife – diese Fiktionen sind meist bitterböse. Da wird ein Premierminister per Social Media zur Sodomie getrieben, Menschen arbeiten in riesigen Hochglanzfabriken, um sich die Credits für ihr Leben zu kaufen oder wir sprechen mit Verstorbenen durch aus dem Social Web erzeugte KI. Dabei steht immer die menschliche Tragödie im Mittelpunkt – stets bleibt die behandelte technische Innovation etwas, was auf die eine oder andere Art sehr menschliches Verlangen befriedigt – ihn zeitgleich aber ebenso vor neue Probleme stellt. Noch deutlicher kann der Fingerzeig auf die Relevanz der Auseinandersetzung mit diesem Thema wohl kaum sein – erst recht nicht zu einem Zeitpunkt in der hochrangige Politiker das Internet immer noch mit Schranken und Ampeln regieren wollen.
Das gefällt mir:
Die Konsequenz, mit der heute schon reale technische Möglichkeiten weitergedacht werden. Das Gesehene speichern? Wir erleben grade die ersten Versuche mit Google Glasses. Per Instagramm lassen sich jetzt schon kollektive visuelle Erinnerungen per Tag suchen. Personen des öffentlichen Lebens per Social Media den Garaus machen? Kennen wir, nicht umsonst wird in Istanbul grade das Netz gejammt oder in China ein landeseigenes Betriebssystem benutzt. Bitcoins gibt es auch nicht erst seit gestern, nur in der Mitte der Bevölkerung ist eine virtuelle Währung noch nicht angekommen. Ein einziges virtuelles Konto für jeden Menschen ist da aber nur eine logische Weiterführung. Mögen einige Episoden auch surreal anmuten (“Be Right Back” / “The Waldo Moment”), platt oder zu kurz gedacht sind sie dabei nie, sondern fußen immer auf realen Entwicklungen – ihre Ausmaße sind dann jedoch Fiktion. Oder vielleicht nicht, wenn wir ein paar Jahre warten.
Die Vehemenz. Sämtliche Episoden bleiben bis zum Schluss schwer und lassen einem mit einem leeren Eindruck zurück. Der Twist am Ende ist immer gewiss und ein Happy End oder gar ein End in irgendeinem Sinne gibt es nicht. Folgen wie “15 Million Merits” oder “White Bear” lassen einen wirklich mit einem ordentlichen Loch in der Magengrube zurück – und geben viel Raum zum Nachdenken über die eigene Haltung.
Technik & Cast. Sämtliche Folgen sind sehr stilsicher, ebenso wartet jede Folge mit überzeugenden bis großartigen Haupt- & Nebendarstellern auf (Höhepunkt ist für mich Daniel Kaluuya in “15 Million Merits”), wodurch der Fokus umso mehr auf der Eindringlichkeit des Themas liegt. Und obwohl keine der Folgen nach riesigem Budget aussieht, gelingt es stehts mit einfachen Mitteln authentisch zu wirken – selbst alle verwendete CGI oder Interfaces passen absolut ins Bild, man stört sich daran selten, was wiederum auf ihre Schlichtheit zurückzuführen ist – well done.
Das gefällt mir nicht:
Da gibt es kaum etwas. Am meisten wohl, dass die Qualität der Episoden etwas schwankt. Manche Folgen wirken packender als andere (persönlicher Tiefpunkt: “The Waldo Moment”) – wodurch einige in der Erinnerung etwas abfallen. Schlecht ist dabei keine, nur durchgehend fantastisch sind die Episoden eben nicht.
Das gibt es noch zu sagen:
Black Mirror gibt es bis dato nicht auf deutsch zu sehen. Einige Folgen sind durchaus sprachlich harter Tobak, da viel mit britischen (gern auch ländlichen) Akzenten gearbeitet wird – wenn man also dem Englischen eher fern ist, sollte man sich vielleicht um Subtitel bemühen.
Ansonsten bleibt nur: wer sich mal eine ordentliche Portion Tech-Distopie geben will – mich hat Black Mirror echt umgehauen. Ich kanns nur empfehlen. (Könnte man auch bei Youtube finden – zumindest hier in Irland *hust*)
Unten noch einen gut einstimmenden Trailer (unterlegt mit Portishead’s “The Rip” ♥), hier gibts die Homepage, hier nen Wiki-Eintrag. Und Ich geh dann weiter den Facebook-Account meines Hundes pflegen. Und Farmville wartet ja auch.
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