Irgendwie muss man ja die lähmend lange Wartezeit auf die letzten Breaking Bad-Folgen und die Woche Stasis zwischen jeder GoT-Episode überbrücken – die Filmguckerin empfahl mir, mich doch mal an “Sherlock” zu versuchen. Gestern gemacht, heute alle Folgen gesehen. Geht gut, würd ich sagen.
Das ist es: ”Sherlock” ist eine Adaption der Detektivgeschichten (u don’t say?) Sir Arthur Conan Doyle, transferiert in das London des 21. Jahrhunderts und etwas an moderne Gegebenheiten angepasst. Viel mehr vermag ich zur Nähe zum Original nicht zu sagen, weil nie gelesen. Das Setting aus der deutschsprachigen Wikipedia:
Sherlock Holmes ist ein beratender Detektiv mit bemerkenswerten geistigen Fähigkeiten, der zusammen mit dem ehemaligen Militärarzt Dr. John Watson eine WG in der Londoner Baker Street 221b gründet. Kurze Zeit später ermitteln sie in ihrem ersten gemeinsamen Fall und stehen den Ermittlern von New Scotland Yard, insbesondere Detective Inspector Lestrade, mit Rat und Tat zur Seite. Sehr zum Leidwesen von Sherlock schreibt John viele der bearbeiteten Fälle nieder und veröffentlicht diese in seinem Blog. Dadurch werden vermehrt private Klienten auf Sherlock aufmerksam, und seine Popularität nimmt zu.
Das gefällt mir: Einiges. Mr. Cumberbatch ist ein sehr interessantes Ekel und irgendwie auch nicht, Soziopath und Genie, dem es an Zwischenmenschlichem mangelt – ohne dabei allzu starr dadurch riesige Konflikte heraufzubeschwören. Stattdessen lässt sich auch sein Genius gern mal von seiner eigenen Fehlbarkeit überzeugen; natürlich immer im Kleinen und zwischen den Zeilen, aber es bleibt eben nie allzu schwarz/weiß.
Watson ist der warme, eher der Normalität zugewandte, trotzdem aber auch angenehm kauzige Gegenpart, und wie das so sein muss, werfen die beiden sich schön den Ball zu, was bei mir mehrmals zu Lachern führte (und das ist recht selten, so alleine, beim Serien gucken). Intelligente Dialoge, generell hohes Tempo, und auch gern mal der Mut zur Skurrilität machen die 90-minütigen Folgen sehr kurzweilig.
Das gefällt mir außerdem: Technik & Stil. Hohes Schnitttempo, immer wieder schöne Kameraeinstellungen wie visuelle Ideen (die in den Raum projizierten Kurznachrichten beispielsweise sind ein wirklich intelligenter Kniff) – dazu eine elegante Gratwanderung aus moderner Instagram-Spielerei und typisch kaltem englischem Flair. Und überhaupt modern – ein bloggender Watson (“Woher wissen sie das?” “Na ich les doch ihren Blog!” – ha!), twitternde Dominas und das ständige Spiel mit der Art der Beziehung der beiden find ich absolut sympathisch und für mich wesentlich nachvollziehbarer, als das altbackene Rollenspiel in den meisten großen Filmen der letzten Jahre.
Das gefällt mir nicht: Zu aller erst muss man sich darüber im Klaren sein, dass es sich bei “Sherlock”, sei es auch in der Jetzt-Zeit angelegt und mit genügend realen Bezügen bestückt, ständig um Fiktion handelt. Fiktion, die nicht in erster Linie auf totale Wissenschaftlichkeit, sondern stets auf Unterhaltung ausgelegt ist. Man sollte nicht beginnen, Sherlock und seine Schlussfolgerungen zu genau auseinanderzunehmen, denn freilich sind die Erklärungen zwar stringent, ebenso wirken sie aber auch gern mal willkürlich und einige Male eher absurd.
Besagte Effektspielereien können auch manchmal ein wenig over-the-top sein – wo die SMS-Typo-Einblendungen gut funktionieren, funktionieren viele der ansonsten durchs Bild fliegenden Schriften eher weniger. Ebenso sind die benutzen Computer-UI auch gern mal recht realitätsfern (aufploppende Fenster, 3D-Grafiken und scrollende Textzeilen galore!). Hier ist es ein schmaler Grat, der aber, zumindest für mich, zu verschmerzen ist – eben aus dem ersteren Kritikpunkt. Das muss alles nicht wissenschaftlich valide sein für mich.
Ebenso war mir direkt zu Beginn die Hörigkeit von Watson doch ziemlich schleierhaft. Besonders in den ersten Episoden unterwirft er sich fast ohne Gegenwehr, was die Beziehung der Beiden zumindest meiner Ansicht nach zu Beginn nicht wirklich hergegeben hat. Aber auch das legt sich mit der zweiten Staffel spürbar und das Verhältnis wird spürbar tiefer und logischer.
Außerdem fehlt abermals die gewichtige Frauenrolle. Die alle hinters Licht führende Domina war gut, aber dient mehr oder minder am Ende nur dazu, einen Riss in Sherlocks harter, antisozialer Haltung zu erzeugen. Ansonsten werden alle bedeutenden Rollen von Männern bekleidet. Romanvorlage, klar, aber insgesamt trotzdem auf gesamter Länge ein wenig einseitig.
Fazit: Das ists auch schon. “Sherlock” ist nicht der Stein der Weisen, aber hat zumindest mich die letzten zwei Tage gut unterhalten, ich freue mich auf neue Folgen und wenn man sich mit dem Ansehen etwas mehr Zeit lässt als ich, kann man damit schon so einige Abende bis zur nächsten GoT-Folge überbrücken. (Aber was mach ich jetzt? Hat wer ne Empfehlung?)
Hier gibt es noch den Trailer zur ersten Season, hier die BBC1-Homepage mit dem wirklichen Blog von Watson. Denn das musste ja sein!